Geschichte der Villa Kehrwieder

1894 - 1912


Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erlebte der kleine schwarzwälder Ort Sankt Blasien seine Blütezeit als Erholungskurort. Der Badische Großherzog Friedrich I mit seiner Gemahlin Luise, geborene Prinzessin von Preußen, hatten mitten im Ort die Villa Friedrich-Luisen-Ruh als Feriendomizil eingerichtet. Die häufige Anwesenheit des Großherzogenpaares lockte in jenen Jahren viele Gäste aus dem Großbürgertum an und Sankt Blasien erlangte eine Berühmtheit als Kurort, speziell für Menschen mit Lungenerkrankungen.

Auch Heinrich Ernst Rittmeister aus Hamburg fand so in den Ort und er erwarb am Südhang des Bötzberg ein Grundstück aus dem Besitz des Großherzogs und erbaute 1894 darauf die im Jugenstil ausgestattete Villa Kehrwieder. Rittmeister entstammte einer Hamburger Kaufmannsfamilie, die dort am Kehrwiederhafen ein Handelskontor betrieb. Er schreibt in seinen Lebenserinnerungen, dass er seine neue Villa in Erinnerung an eine glückliche Kindheit an diesem Hafenbecken den Namen "Kehrwieder" gab.

Ernst Rittmeister führte mit seiner Ehefrau Marie (geb. Holton) das Haus als Pension und Kurheim für wohlhabende Gäste. Das historische Gästebuch zeigt nicht nur Eintragungen aus allen Landesteeilen Deutschlandes, sondern auch dem Ausland und Übersee. Man findet Eintragungen aus Paris, London, Sankt Petersburg, Moskau, New York, Buenos Aires und vielen anderen Weltstädten.

1912-1945


Nach dem Tod von Ernst R. im Jahr 1912 betrieb Ehefrau Marie das Haus zunächst alleine weiter. Ab dem Jahr 1927 erhielt sie Unterstützung vom Sohn Kurt Rittmeister, der zu diesem Zeitpunkt als Architekt im Ort tätig war. Marie R. verstarb 1934 und Kurt R. mit Ehefrau Else (geb. Studier) übernahmen die Leitung. Im Jahr 1938 wurde der Pensionsbetrieb eingestellt und in den folgenden Kriegsjahren wurde das Haus zunächst ein Müttererholungsheim und später ein Heim für die Kinderlandverschickung, um Kinder aus deutschen Städten vor Bombenangriffen zu bewahren.

1945-1952


Nach dem Weltkrieg verpachtete die Rittmeisters das Haus an die Aidlinger Diakonissen, die es als christliche Begegnungsstätte einrichteten. Als 1951 dieser Pachtvertrag auslief, suchten die Rittmeisters einen Käufer für das Anwesen, da sie selber keine Kinder als Nachfolger hatten.

1952-1964


Das Ehepaar Kurt und Liselotte Zimmer, die zuvor das Felke Naturheilbad in Diez an der Lahn geführt hatten, suchten einen neuen Wirkungskreis und erwarben im Jahr 1952 das Anwesen. Die Rittmeisters behielten im Kehrwieder eine Wohnung bis an ihr Lebensende. Noch im selben Jahr wurde eine Privatkrankenanstalt für Lungenkranke ins Leben gerufen. Ausgestattet mit einem Lungenfacharzt, Krankenschwestern und anderen Bediensteten sowie einer hauseigenen Röntgenabteilung wurde ein lebhafter Sanatoriumsbetrieb durchgeführt. Zur Behandlung von Tuberkolose waren zu jener Zeit die Liegekuren das beste Mittel. Zu diesem Zweck war von Beginn an das Haus mit zahlreichen Balkonen ausgestattet worden. Auch eine Liegehalle war errichtet worden, in der die Patenten im Sommer wie im Winter sich der frischen Luft aussetzen mussten, in der kalten Jahreszeit in warme Decken gehüllt. Noch heute ist die Liegehalle in einem sehr guten Bauzustand erhalten und auf der Wand sind zahlreiche Inschriften der Patienten zu finden.

1964-1989


Da im Laufe der Zeit Lungenerkrankungen nicht mehr mit Liegekuren sondern zunehmend medikamentös behandelt wurden, erwies sich der Sanatoriumsbetrieb als nach und nach unrentabel. Im Jahr 1964 wurde das Kurheim Kehrwieder in ein Sporthotel umgewandelt. Oberst Heigl, der 1936 Trainer der Deutschen Olympiamannschaft im modernen Fünfkampf gewesen war, bot jetzt Kurse zum Ganzheitlichen Körpertraining im Freien an. Im Jahr 1967 endete diese Phase des Hauses Kehrwieder und es wurde ein weiteres Mal bis 1979 an die Aidlinger Diakonissen verpachtet. In den darauf folgenden zehn Jahren wurde das Kehrwieder erneut von der Familie Zimmer als Hotel betrieben.

1989-2001


Als im Jahr 1989 sich die Grenzen im Osten öffneten und eine große Anzahl deutschstämmiger Aussiedler aus den sowjetischen Republiken in den Westen strömte, wurden im Kehrwieder für mehrere Jahre Familien aus Russland, Polen und Ostdeutschland untergebracht. Nachdem 1993 die letzten Aussiedler das Haus verlassen hatten, begann wieder ein regulärer Hotelbetrieb. Das Haus war in Kooperation mit Busreiseunternehmen eine zentrale Stelle für Urlaube im Hochschwarzwald.

2002-2021


In den Jahren 2002 - 2021 wurden zusätzlich in Zusammenarbeit mit einem Physiotherapeuten und Klimatherapeuten sogenannte Klimatherapien angeboten. Personen, die sich im Berufsleben durch den Umgang mit Asbest eine Berufskrankheit zugezogen haben, wurden von der zuständigen Berufsgenossenschaft zu einer zweiwöchigen Reha-Kur hierher geschickt. Neben der Klimatherapie stand das Hotel auch allen Reisenden, Urlaubern und Wanderern offen.
Seit dem Tod der Eheleute Zimmer wird das Haus von deren Tochter Adelheid Zimmer geleitet.

Ab 2022


Ab dem Jahr 2022 wird das Haus als Hotel Garni geführt.
Die Gästezimmer und öffentlichen Räume im Haus werden auch genutzt, um Werke der Künstler Friedrich Büschelberger, Fritz Will und Rudi Lederer zu präsentieren.

Denkmalschutz


Das Landesdenkmalamt hat die Villa Kehrwieder in die Liste der Kulturdenkmale Baden-Württemberg aufgenommen und unter Schutz gestellt. Das Gebäude stellt nach dessen Beurteilung trotz einzelner Veränderungen am Außenbau ein besonders aussagekräftiges Zeugnis für die Blütezeit Sankt Blasiens als nobler Luftkurort vor dem Ersten Weltkrieg dar. Es ist charakteristisch für den regionaltypischen, hier im südlichen Schwarzwald verbreiteten Baustil während der Kurortzeit im späten 19. und frühen 20. Jahrhundet.